Eines Abends erreichte mich der Anruf von Martin, einem befreundeten
Amateurastronomen aus der Arbeitsgemeinschaft der Archenhold-Sternwarte:
" Am 7.11.2000 ist eine Kleinplanetenbedeckung. Die Bedeckungslinie geht
genau über Berlin. Das ist was für's Photometer. Versuchs
doch mal, wenn Wetter ist!"
Am Abend der Bedeckung war es zwar nicht übermäßig klar, aber
eine erfolgreiche Beobachtung war durchaus drin. . Zuhause auf
der Couch wäre es zwar gemütlicher gewesen als draußen bei
gerade mal 10°C und so hoher Luftfeuchte, so daß der Atem deutlich sichtbar
kondensierte, aber was soll's ... Also auf zur Sternwarte!
Dort angekommen zuerst mal die Kuppel auf, alle Deckel vom Teleskop
entfernt und den Laptop mit der elektronischen Sternkarte hochgefahren, der
einfache Teil wäre also geschafft. Jetzt kommt der weitaus schwierigere:
Das Sternfeld finden! Das Problem beginnt damit, daß das Fernrohr nicht
mit einem PC verbunden ist und somit keine goto-Funktion hat.
Das heißt also HIP103334 muß 'zu Fuß' aufgesucht werden.
Mit Hilfe von Sternkarte und Teilkreisen ist man sehr schnell in der Nähe
des gesuchten Objektes, nun kommt aber die Feinarbeit , was heißt
daß der Stern mit Hilfe des Auges in die Mitte des Gesichtsfeldes gebracht
werden muß. Das ist gar nicht so einfach. Aber zum Glück tauchte
nun auch meine Mitbeobachterin Martina auf, die das Ereignis visuell,
also ganz klassisch mit Auge am Okular und Stoppuhr, messen wollte. Wir suchten
nun abwechselnd und irgendwann machte es dann "klick" - Der Stern war gefunden.
Inzwischen blieb auch nur noch eine halbe Stunde Zeit bis zum angekündigten
Zeitpunkt. Also schnell das Photometer angeschlossen.
Das war jetzt wieder eine einfache Aufgabe. Noch ein paar kurze
Tests, die Integrationszeit noch mal schnell (im Kopf) nachgerechnet - jetzt
bloß keinen Fehler machen - und noch mal kontrolliert ob HIP103334
noch anwesend ist. Martina hat inzwischen auch ihre Stoppuhr mit dem
DCF77-Signal,oder umgangssprachlich dem Zeitzeichen, synchronisiert
und macht eine letzte Teststoppung. Alles ist in bester Ordnung es kann also
losgehen. Sowohl visuell als auch mit dem Photometer. Die Uhr zeigt
19:45 UT Martina starrt gebannt durch das Okular, ich starre auf den
Monitor. Die durchlaufenden Zahlen geben erst mal keinen weiteren Hinweis
auf eine Bedeckung. Aber das war auch nicht zu erwarten.
Um 19:50UT brechen wir die Beobachtung ab. Martina schimpft gleich:"Zwei
Sterne im Gesichtsfeld, aber so eine große Luftunruhe daßdiese
abwechselnd auftauchten und verschwanden. Ein echtes Bedeckungsereignis
war nicht von der Szintillation zu unterscheiden. Ich mußte auf die
Auswertung am Computer warten. Wir haben also erst mal in der Kuppel
abgebaut um alles wieder in ordnungsgemäßen Zustand zu verlassen.
Dann haben wir auf einem anderen Rechner, auf dem sich eine Auswertesoftware
befindet, noch schnell einen Blick auf die Photometerdaten geworfen. Die Kurve
sah aber nicht wie erwartet aus, sondern eher wie ein Sägezahn. Den Fehler
hatten wir aber in der Arbeitsgemeinschaft schon mal. Die Meßwerte
werden aufaddiert, bis der Speicher überläuft und von vorne
zu zählen anfängt. Das sollte sich auf mathematischem Wege
rückgängig zumachen sein. Aber nicht hier und heute. Wir verabschiedeten
uns und gingen mehr oder weniger frustriert nach Hause.
Peter, ein anderer befreundeter Amateur aus der Arbeitsgemeinschaft konnte
mir wirklich weiterhelfen. Er schrieb - wer kann, der kann - ein kurzes Programm,
das die Kurve wieder so aussehen ließ wie ich sie erwartet hatte.
Und das Allerschönste daran war: Ich hatte tatsächlich eine Bedeckung
beobachtet.
Nach und nach kamen Meldungen von anderen visuellen Beobachter, die mehr
Glück als Martina hatten, und die Bedeckung auch gesehen haben.
Jetzt gab es wieder eine Menge zu tun. Da die Beobachter selbstverständlich
alle ihre Koordinaten kannten war es möglich am heimischen PC ein einfaches
Bild von 476(Hedwig) zu berechnen, dann mußten die Beobachtungen natürlich
weitergemeldet werden und ein erster Vortrag wollte auch vorbereitet werden.
Eins hat diese Bedeckung jedenfalls mit allen erfolgreichen Beobachtungen gemein: Man bekommt Lust auf Mehr. Aber eine erfolgreich beobachtete Kleinplanetenbedeckung ist fast so etwas wie ein Sechser im Lotto. Es muß soviel gleichzeitig zutreffen: Das Ereignis muß am Beobachtungsort mit großer Wahrscheinlichkeit zu beobachten sei, der Stern muß hell genug sein, der Helligkeitsunterschied zu Kleinplaneten muß hinreichend groß sein, das Wetter muß mitspielen...